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Die Medenbacher evangelische Kirche – über 900 Jahre alt

Mit einem großen Fest wurde 2007 die erste urkundliche Erwähnung Medenbachs vor 900 Jahren gefeiert – und unsere evangelische Dorfkirche stand hierbei im Mittelpunkt. Sie wurde 1107 durch Bischof Hartberg von Brandenburg geweiht und durch die Äbte Dietrich von St. Alban und Burchard von St. Jakob in Mainz mit etwa 30 Morgen Land ausgestattet. Bis zur Einweihung unserer Kirche (bis 1145 auch für Wildsachsen zuständig) gehörten die Medenbacher und das südlich gelegene Dorf Costloff zu Nordenstadt. Mühsam war der Weg dorthin, bei Wind und Wetter kaum zu bewältigen. Jetzt durfte der Ortsgeistliche den Gottesdienst an Sonntagen, den Heiligenfesten und einigen Werktagen in Medenbach verrichten, an hohen Festen war aber die Mutterkirche in Nordenstadt zu besuchen. Erst 1491 kam es zur endgültigen Trennung von der Mutterkirche und Erhebung zur selbständigen Pfarrei mit Wildsachsen und Costloff bis zu dessen Wüstwerdung während des 30-jährigen Krieges. 

Das Jahr 2017 wird von vielen Menschen weltweit als Gedenkjahr gefeiert werden: 500 Jahre Reformation – Martin Luther schlug seine 95 Thesen 1517 an das Tor der Schlosskirche zu Wittenberg an (oder Weitergabe als Rundschreiben?). Neun Jahre später hatte sich Landgraf Philipp der Großmütige von Hessen für das lutherische Bekenntnis ausgesprochen und führte in seiner Herrschaft die Reformation ein. Medenbach wurde 1531 evangelisch. Der erste lutherische Pfarrer Johann Göckel hatte von Nordenstadt aus zunächst Medenbach mitbetreut. Johann Textor war dann der erste Pfarrer der selbständigen evangelischen Kirchengemeinde Medenbach. 

An dieser Stelle ist zu fragen, welchen Namen die nunmehr evangelische Kirche in den Jahrhunderten zuvor führte. Das Patrozinium, also die Schutzherrschaft eines Patrons, war üblich. In unserem Fall gab es mit sehr großer Wahrscheinlichkeit eine Patronin, die Heilige Ursula. Professor Otto Renkhoff hat an verschiedenen Stellen diese Auffassung vertreten. Für diese Annahme spricht auch das Medenbacher Gerichtssiegel von 1700: die weibliche Figur mit dem Attribut der Heiligen Ursula, einem Pfeil zwischen zwei Rosenstöcken. Das 1955 genehmigte Gemeindewappen knüpft an dieses Siegel an, hat aus gestalterischen Gründen die Figur aber nicht mehr aufgenommen. 

Der Kirchenbau in seiner heutigen Gestalt hat kaum noch Bauteile aus der Entstehungszeit. 1576/77 war der baufällige Chor der Dorfkirche durch einen Neubau ersetzt worden. Der Dreißigjährige Krieg hatte die Kirche bis auf die Umfassungsmauern zerstört. Der untere Teil des quadratischen Chores mit der Nordpforte und ein Teil der Südseite des Langhauses stammen noch vom Ursprungsbau. Aus spätgotischer Zeit ist die Westpforte und im Chor die Sakramentsnische erhalten. 1650 wurde die Kirche bereits wieder aufgebaut, 1714 erhöht und mit neuen Fensteröffnungen und neuem Dachreiter, einer glockenförmig geschweiften Haube (gerne als Glockenturm bezeichnet) versehen worden (Renkhoff). 

Bei dieser Umgestaltung entstanden die Kanzel, der Beichtstuhl (Pfarrstuhl) und  auch die Emporen im Barockstil, ähnlich wie wir sie noch heute vorfinden. (1965 wurden diese Ausstattung und auch die farbige Fassung der Decke freigelegt. Sie waren übermalt.) 130 Sitzplätze gab es jetzt. 

Zu erwähnen ist auch, dass im Mittelalter unter freiem Himmel das „Ortsgericht auf dem Friedhof vor der Kirchenpforte unter der Gerichtslinde oder auch an der offenen Straße neben der Kirchhofmauer getagt hat“. 1970 wurde die über 800 Jahre alte Linde gefällt, sie sei innen hohl gewesen, stand aber auch der Straßenplanung im Weg. So wurde die Fläche des bereits 1862 aufgelassenen Friedhofes, der den Kirchenbau umgab, eingeengt, die alte Kirchenmauer abgerissen. 

Immer wieder gab es Veränderungen an der Kirche, bereichernde und notwendige. Eine neue Orgel wurde benötigt. Man führte Verhandlungen mit dem Idsteiner Orgelbaumeister. 1877 konnte die politische Gemeinde eine Orgel mit der Hälfte des Erlöses der durch den Eisenbahnbau bedingten Holzfällungen finanzieren. Im Jahr 1894 stiftete die ledige Bauerntochter Luise Noll der Kirche einen Altar aus schwarzem Marmor und im Jahr vor dem 800. Jahrestag der Weihe (1907) wurden drei neue Fenster für die Südseite bei der „Anstalt für Glasmalerei Albert Zentner“ in Wiesbaden in Auftrag gegeben und eingebaut. Der noch kurz vor den Feierlichkeiten in Auftrag gegebene große Ofen für Holz- und Koksbefeuerung wurde im November installiert – erwies sich auf Dauer aber als zu groß und musste ersetzt werden. Für die Finanzierung der neuen Heizanlage musste die Kirchengemeinde ein Darlehen auf zehn Jahre aufnehmen. Die Kollekte des Jubiläumsgottesdienstes reichte für das eindrucksvolle Kirchenfenster hinter dem Altar, in Glasmalerei ausgeführt und mit einer Umschrift versehen, das Kirchenbesucher noch heute bewundern. Diese sollte „Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit“ lauten. Zu sehen ist aber Christus mit der Dornenkrone und dem Text „Ecce homo“ (Sehet, welch ein Mensch). 

Im zweiten Weltkrieg trug die Kirche erhebliche Schäden davon. Es vergingen mehrere Jahre, bis Material und Mittel für die Wiederherstellung zur Verfügung standen. Manche Reparaturen und Restaurierungen begleiteten den Kirchenbau in der zweiten Jahrhunderthälfte.
Zum 900. Jubiläum der Weihe 2007 standen umfangreiche Erhaltungsarbeiten an – und das Kirchengelände erhielt in den folgenden Jahren seine heutige Gestalt. „Danket dem Herrn; denn er ist freundlich und seine Güte währet ewiglich“, hieß es in Psalm 118.
In einem späteren Beitrag an anderer Stelle soll über die Geschichte des Kirchbaues in den letzten hundert Jahren noch ausführlicher berichtet werden, auch über die lange Zugehörigkeit Medenbachs zum Pfarrbezirk Breckenheim, die Entwicklung zur heutigen Selbständigkeit der Gemeinde (mit Wildsachsen), über Pfarrhaus und Pfarrscheune.

Dieter Hofmann, Medenbach

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